Normative Normalität des Alltags. Diffuse Spannungen lebensweltorientierter Sozialer Arbeit
- Die Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch stellt wohl eines der geläufigsten Theoriekonzepte im gegen- wärtigen Diskurs der Sozialen Arbeit dar. Mit ihr werden die (primär) bezugswissenschaftlich-entschlüsselten Termini ‚Lebenswelt‘ und ‚Alltag‘ als Orientierungspunkte für die Praxis sowie als Gegenstand für die wissenschaftliche Disziplin Sozialer Arbeit konstatiert; genauer noch: systemintern normativ aufgeladen. Insbe-sondere stützt sich das Theoriekonzept auf gesellschaftskritische Modernisierungserzählungen hinsichtlich spätkapitalistischer Entwicklungslinien und deren Einfluss auf das Individuum, die Gesellschaft und die vermeintlich dazwischenliegende Soziale Arbeit. Die angestrebte UmOrientierung soll die Soziale Arbeit aus ihren über-bürokratisierten und ökonomisierten Methoden- zwängen befreien, eine „ganzheitlichere“, also „professionell richtige“ Begegnung mit den Klient*innen ermöglichen und, im Zuge dessen, das Großprojekt sozialer Gerechtigkeit befördern. Die durchaus weitgefasste Argumentations- und Legitimationsstruktur, welche dem Theoriekonzept innewohnt, geht aus solch einer umfangreichen Integration von (vorerst) fach- fremden Begrifflichkeiten und Sinnzusammenhängen hervor, so dass der Versuch einen gänzlichen Überblick dessen zugewinnen, in diffuser Desorientierung enden kann. So pointiert Thiersch selbst, dass es notwendig sei, die Lebensweltorientierung „schwierig, kantig und sperrig“ zu halten (Thiersch 2015, S. 314). Will sich jene Soziale Arbeit jedoch auf einem dermaßen breiten Theorieboden begründen, ist es unabdingbar systematisch zu identifizieren, wo sich thematische Schnittmengen, Divergenzen oder Spannungen ergeben. Darüber hinaus muss sie ersichtlich machen, auf welche Weise diese entsprechend bearbeitet, entkoppelt oder weitergedacht werden. Hält sie Untersuchungen dieser Art nicht Stand, lässt dies semantische Verkürzungen, selbstaffirmative Positionsbestimmungen und ideologische Programmatik ver- muten, welche den wissenschaftlichen Gehalt des Theorie-konzepts in Frage stellen lassen würden. Die vorliegende Arbeit soll als ein kritischer explorations-versuch gelten, welcher das Ziel verfolgt, mögliche Diffusitäten herauszustellen und zu beleuchten. So wird sich insbe-sondere mit dem systematischen Weg auseinandergesetzt, welchen Thiersch einschlägt, um einen vermeintlichen Konnex bezugswissenschaftlicher Theoriebestandteile anzubieten, diesen im Diskurs Sozialen Arbeit brauchbar zu machen und ferner als grundlegendes, ‚orientierungs-würdiges‘ (normativ-aufgeladenes) Zentrum zu setzen.
Author: | Jerôme Schickschneit |
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URN: | urn:nbn:de:hbz:832-epub4-15609 |
Series (Serial Number): | Ausgezeichnet! Nominierte und prämierte Abschlussarbeiten an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der TH Köln (2020/01) |
Place of publication: | Köln |
Referee: | Franz Krönig, Nils Wenzler |
Document Type: | Bachelor Thesis |
Language: | German |
Publishing Institution: | Hochschulbibliothek der Technischen Hochschule Köln |
Granting Institution: | Technische Hochschule Köln |
Date of first Publication: | 2020/07/20 |
Date of Publication (online): | 2020/07/31 |
GND-Keyword: | Soziale Arbeit |
Tag: | Lebensweltorientierung |
Page Number: | 76 |
Institutes: | Angewandte Sozialwissenschaften (F01) / Fakultät 01 / Institut für Kindheit, Jugend, Familie und Erwachsene |
CCS-Classification: | A. General Literature |
Dewey Decimal Classification: | 300 Sozialwissenschaften |
JEL-Classification: | I Health, Education, and Welfare |
Open Access: | Open Access |
Licence (German): | Creative Commons - CC BY-NC-ND - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International |